Die EU liefert.
Vorgaben für das Nachhaltigkeitsreporting von morgen.
Die nichtfinanzielle Berichtspflicht von 2014 war ein Aufschlag. Jetzt macht sich die Europäische Union mit neuen Richtlinien und Verordnungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und Sustainable Finance an den nächsten Satz.
Im April 2021 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) veröffentlicht, die die bisher geltende Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) ersetzt. Der Vorschlag muss nun durch die EU-Instanzen, er wurde im November 2022 vom EU-Parlament angenommen. Hier kriegen Sie einen Einblick in die Veränderungen, die auf Unternehmen, Banken und Versicherungen in Sachen Berichterstattung zukommen.
Einordnung
Die EU-Richtlinie zur CSR-Berichterstattung „Non-Financial Reporting Directive“ (NFRD) erfährt mit der „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) ein grundlegendes Update. Der Entwurf wurde am 21. April 2021 veröffentlicht und stand in einer Konsultation zu diesem Gesetzgebungsprozess bis zum 14. Juli 2021 zur Debatte. Am 16. November 2021 wurde ein Berichtsentwurf mit Änderungsvorschlägen veröffentlicht und am 24. Februar 2022 erschien der Änderungsentwurf des Europäischen Rates. Am 21. Juni 2022 erlangten der Rat und das Parlament eine vorläufige politische Einigung, deren Entwurf Änderungen am Kommissionsentwurf vorsieht. Die finale Version finden Sie hier.
Die Regelungen sollten nach dem ursprünglichen Zeitplan des Kommissionsentwurfs aus dem Jahr 2021 ab dem 01.01.2024 für das Geschäftsjahr 2023 gelten. Der Europäische Rat und das Europäische Parlament haben in ihrer Version vom Juni 2022 eine verzögerte Einführung durchgesetzt und setzen ein Stufenmodell um:
- am 1. Januar 2024 für Unternehmen, die bereits der NFRD unterliegen (erste Berichterstattung 2025);
- am 1. Januar 2025 für große Unternehmen, die derzeit nicht der NFRD unterliegen (erster Bericht 2026);
- am 1. Januar 2026 für börsennotierte KMU sowie für kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen (erster Bericht 2027) mit einer Opt-Out-Möglichkeit bis 2028.
Der Entwurf der Trilogverhandlungen wurde am 10. November 2022 im Europäischen Parlament mit großer Mehrheit angenommen. Der Europäische Rat hat am 28. November 2022 zugestimmt und die Richtlinie ist damit angenommen. Die Richtlinie wurde am 16. Dezember 2022 im Amtsblatt veröffentlicht und wird 20 Tage danach in Kraft treten. Nach ihrer Verabschiedung auf EU-Ebene muss die Richtlinie innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden.
Betroffene Unternehmen
Der Richtlinien-Vorschlag zielt auf eine deutliche Ausweitung des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen ab:
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- nun sollen alle großen Unternehmen ab 250 Mitarbeitern im Jahresdurchschnitt, unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung, berichten. Die weiteren Schwellen für große Unternehmen liegen weiterhin bei einer Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro und einem Umsatz von über 40 Millionen Euro. Zwei dieser drei Größenmerkmale müssen überschritten werden.
- alle kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen, mit der Ausnahme von Kleinstunternehmen (ab dem 01.01.2026). Unternehmen gelten nach Richtlinie 2013/34/EU ab Überschreitung von zwei der drei Merkmale 1) 10 Beschäftigte, 2) 350.000 Euro Bilanzsumme und 3) 700.000 Euro Nettoumsatzerlöse als klein.
- Ab 2028 werden auch nichteuropäische Unternehmen, die in der EU einen Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. € erzielen und mindestens eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in der EU haben, zur Vorlage eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet.
Eine Berichterstattung auf Konzernebene entbindet weiterhin die Töchter von der eigenen Berichtspflicht. Das Tochterunternehmen muss auf den Konzernbericht verweisen. Ausgenommen davon sind große kapitalmarktorientierte Tochterunternehmen.
Bezugsrahmen
Der Richtlinien-Vorschlag führt verbindliche europäische Berichtsstandards (ESRS) ein, die in der Entwickung sind. Diese werden sich aus sektorunabhängigen, sektorspezifischen und organisationsspezifischen Standards zusammensetzen. Verankert werden soll eine doppelte Materialität, die das bisher insbesondere in Deutschland zugrunde gelegte Wesentlichkeitsprinzip ändert. Sachverhalte sind als wesentlich einzustufen, wenn sie entweder für den Geschäftserfolg oder aus ökologischen bzw. sozialen Gesichtspunkten wesentlich sind. Bislang muss für die Nichtfinanzielle Erklärung beides zutreffen, was bei einer strengen Auslegung dazu führt, dass nur sehr wenige Sachverhalte berichtspflichtig sind. Bis Mitte 2022 sollen die ersten Kern-Standards zur Ansicht stehen, verabschiedet werden sollen sie spätestens am 31. Oktober 2022. Eine abgespeckte Version der Standards soll als delegierte Rechtsakte für KMUs erstellt werden. Diese sollen in einem Verhältnis angewendet werden können, das der Organisation und ihren Ressourcen sowie den relevanten Stakeholdererwartungen an Nachhaltigkeitsinformationen entspricht. Die KMU-Standards sollen bis 31. Oktober 2023 erstellt werden. Die sektorspezifischen Standards sollen in den nächsten drei Jahren in Paketen erstellt werden, mit dem ersten Paket im Jahr 2023. Als weiterer wichtiger Baustein wird eine digitale Taxonomie für maschinenlesbare Berichte entwickelt, die zeitgleich mit den Standards erscheinen soll.Zu berichtende Informationen
Auch die Corporate Sustainability Reporting Directive verlangt in Zukunft eine Erklärung, die alle Angaben enthält, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit erforderlich sind.
- Kurze Beschreibung des Geschäftsmodells und der Strategie, inklusive
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- der Resilienz des Geschäftsmodells und der Strategie des Unternehmens gegenüber Risiken im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsbelangen;
- der Chancen für das Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsbelangen;
- der Pläne des Unternehmens, um sicherzustellen, dass sein Geschäftsmodell und seine Strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C im Einklang mit dem Paris-Abkommen vereinbar sind;
- wie das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens den Interessen der Stakeholder des Unternehmens und den Auswirkungen des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsbelange Rechnung tragen;
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- wie die Strategie des Unternehmens in Bezug auf Nachhaltigkeitsbelange umgesetzt wurde;
- Beschreibung der Ziele, die sich das Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeitsbelange gesetzt hat, und der Fortschritte, die das Unternehmen bei der Erreichung dieser Ziele gemacht hat.
- Beschreibung der Rolle der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in Bezug auf Nachhaltigkeitsbelange.
- Beschreibung der Unternehmensrichtlinien in Bezug auf Nachhaltigkeitsbelange;
Beschreibung von:-
- des Due-Diligence-Verfahrens, das in Bezug auf Nachhaltigkeitsbelange durchgeführt wurde;
- die wichtigsten tatsächlichen oder potenziellen nachteiligen Auswirkungen (Principal Adverse Impacts) im Zusammenhang mit der Wertschöpfungskette des Unternehmens, einschließlich seiner eigenen Geschäftstätigkeit, seiner Produkte und Dienstleistungen, seiner Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette;
- alle ergriffenen Maßnahmen und das Ergebnis dieser Maßnahmen, um tatsächliche oder potenzielle nachteilige Auswirkungen zu verhindern, zu mindern oder zu beheben.
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- Beschreibung der wichtigsten Risiken für das Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsbelangen, einschließlich der wichtigsten Abhängigkeiten des Unternehmens von solchen Belangen, und wie das Unternehmen mit diesen Risiken umgeht;
- Indikatoren, die für die oben genannten Offenlegung relevant sind.
Das Unternehmen soll auch Informationen über immaterielle Vermögenswerte offenlegen, einschließlich Informationen über Intellektuelles, Human-, Soziales und Beziehungs-Kapital.
Das Unternehmen soll auch über das Verfahren zur Ermittlung der Informationen berichten und dabei kurz-, mittel- und langfristige Zeithorizonte berücksichtigen.
Die offengelegten Informationen sollen zukunftsorientierte und rückblickende Informationen sowie qualitative und quantitative Informationen enthalten. Gegebenenfalls auch Informationen über die Wertschöpfungskette des Unternehmens, einschließlich der eigenen Geschäftstätigkeit, Produkte und Dienstleistungen, seiner Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette.
Weiterhin müssen Details, die ein Unternehmen aus Gründen des Wettbewerbs nicht nennen will, nicht veröffentlicht werden, wenn das zuständige Mitgliedsland dies erlaubt hat.
Inhalt der EU-Berichtsstandards
Der Vorschlag zur CSRD gibt auch vor, zu welchen Berichtsinhalten die geplanten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) Vorgaben machen sollen:
Angaben zu den sechs Umweltzielen der Europäischen Union, die auch die Struktur für die Taxonomie vorgeben:
- Klimaschutz (Mitigation)
- Anpassung an den Klimawandel (Adaption)
- Wasser- und Meeresressourcen
- Kreislaufwirtschaft
- Umweltverschmutzung
- Biologische Vielfalt und Ökosysteme
Angaben zu gesellschaftlichen Aspekten:
- Chancengleichheit für alle, einschließlich Gleichstellung der Geschlechter und gleiches Entgelt für gleiche Arbeit, Ausbildung und Qualifizierung sowie Beschäftigung und Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen
- Arbeitsbedingungen, einschließlich sicherer und anpassungsfähiger Arbeitsplätze, Löhne, sozialer Dialog, Tarifverhandlungen und Beteiligung der Arbeitnehmer, Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sowie einer gesunden, sicheren und gut angepassten Arbeitsumgebung
- Achtung der Menschenrechte, Grundfreiheiten, demokratischen Grundsätze und internationalen Standards
Angaben zu Governance-Aspekten:
- Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane des Unternehmens, auch in Bezug auf Nachhaltigkeitsbelange, und ihre Zusammensetzung
- Unternehmensethik und Unternehmenskultur, einschließlich Korruptions- und Bestechungsbekämpfung
- Politisches Engagement des Unternehmens, einschließlich seiner Lobbying-Aktivitäten
Management und die Qualität der Beziehungen zu Geschäftspartnern, einschließlich der Zahlungspraktiken - Interne Kontroll- und Risikomanagementsysteme des Unternehmens, auch in Bezug auf den Berichterstattungsprozess des Unternehmens
Formate
Organisationen sollen nicht mehr wählen können, wo sie die Informationen veröffentlichen. Die geforderten Angaben sollen zukünftig im Lagebericht des Geschäftsberichts enthalten sein. Dieser soll spätestens vier Monate nach Geschäftsjahresende erscheinen. Auch soll die Veröffentlichung in einem maschinenlesbaren Format erfolgen. Das „Single electronic Reporting Format“ schreibt zukünftig ein Tagging der Nachhaltigkeitsinformationen vor und soll die Kompatibilität mit dem von der EU noch zu entwickelndem „European Single Access Point“ herstellen, einem zentralen Register für digital aufbereitete Berichte.Prüfung und Strafen
Es besteht eine Pflicht zur externen Prüfung der Nachhaltigkeitsinformationen – zunächst mit begrenzter Sicherheit (limited assurance). Zu prüfen sind die Übereinstimmung der Angaben mit den Berichterstattungsstandards, der vom Unternehmen durchgeführte Prozess zur Ermittlung der berichteten Informationen und die Kennzeichnung nach den Anforderungen des elektronischen Reporting-Formats inklusive der Indikatoren gemäß Artikel 8 der Taxonomieverordnung. Eine Ausweitung der Prüfung auf hinreichende Sicherheit (reasonable assurance) im Laufe der Zeit gilt als wahrscheinlich.
Kommt ein berichtspflichtiges Unternehmen der Pflicht zur Veröffentlichung der Informationen nicht nach, legte der Vorschlag der Kommsission Mindeststrafarten und Prozessvorgaben bei der Strafermittlung fest:
- eine öffentliche Erklärung, in der die verantwortliche natürliche oder juristische Person und die Art des Verstoßes genannt werden;
- eine Anordnung, mit der die verantwortliche natürliche oder juristische Person aufgefordert wird, das den Verstoß darstellende Verhalten einzustellen und von einer Wiederholung dieses Verhaltens abzusehen;
- behördliche Bußgelder.
Die Höhe des Bußgeldes wird im Kommissionsentwurf der Richtlinie nicht explizit vorgegeben, aber es werden Kriterien festgelegt, die bei der Festlegung der Höhe berücksichtigt werden sollen.
Der aktuelle Entwurf von Rat und Parlament enthält keinen Absatz zu einheitlichen Strafen, d.h. Sanktionen für Verstöße werden von den Mitgliedsländern festgelegt.